Workshop-Leitung
Keynotes
Dr. Gunhild Berg, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
#booklovers – Die Social Media-Dimension des Lesens. Aspekte der Leseforschung und Leseförderung
Mit #instapoetry, #bookstagram, #booklovers und anderem user generated #bookcontent eröffnen Social Media-Plattformen wie Instragram eine neue sozial interaktive Dimension des Lesens, die besonders die Leseerfahrung junger Menschen beeinflusst. Damit bieten soziale Netzwerke ein neues Feld für die Leseforschung ebenso wie für die Leseförderung, dessen vielfältige literaturwissenschaftliche und literaturdidaktische Aspekte der Vortrag für die anschließende Diskussion überblicksartig darstellt.
Im ersten Teil wird der Gegenstandsbereich skizziert und am Beispiel von #bookstagram aufgezeigt, inwiefern das Lesen in sozialen Netzwerken eine kulturelle Praktik mit neuen, spezifisch sozialmedialen Inszenierungspraktiken, Interaktionsgrammatiken und Textsortenmerkmalen ist, die Lesestrategien, Lesemodi und Lesetypen verändert. Der zweite Teil gibt einen Überblick über literaturdidaktische Implikationen, das Lesen in den Social Media im Sinne einer ‚experimentellen Medienkompetenz‘ (Ph. Wampfler) zu vermitteln. Anhand von Erfahrungen und Beispielen aus der Lehre werden Möglichkeiten zur Diskussion gestellt, mit #bookstagram Ziele der literarischen Bildung im schulischen Literaturunterricht zu verfolgen sowie literaturdidaktisches Handeln in der Lehrkräftebildung zu üben und zu reflektieren.
Prof. Dr. Daniel Scherf & Vertr.-Prof. Dr. Marco Magirius, PH Heidelberg
(Anschluss-)Kommunikation über Literatur im Unterricht: Literaturdidaktische Normsetzungen, schulische Praxis.
Gespräche gelten als das zentrale Medium der Auseinandersetzung mit Literatur in der Institution Schule – entsprechend ist das literaturdidaktische Konzeptions- und Forschungstreiben zu diesem Thema seit Jahrzehnten groß.
Ausgehend von einer breit geteilten Ablehnung des sog. fragend-entwickelnden Vorgehens entwickelten sich im deutschsprachigen Raum mehrere Konzepte für – aus Sicht der jeweiligen Konzeptersteller:innen – sowohl gegenstands- als auch schülerangemessen Gespräche über literarische Texte, die sich u. a. in ihren Zielsetzungen, den in ihnen angelegten Lehrerrollen sowie den vorgeschlagenen Gesprächsabläufen unterscheiden (u. a. Christ et al. 1995, Steinbrenner/Wiprächtiger-Geppert 2006, Lösener & Frank 2020, Magirius et al. 2021). Im angloamerikanischen Forschungsraum ist eine strukturgleiche Entwicklung zu beobachten (u. a. Nystrand 1997, The Great Books Foundation 2021).
Wir möchten in unserem Vortrag einige national und international diskursprägenden Konzeptionen vorstellen und herausarbeiten, welche Normen sie trotz ihrer Unterschiedlichkeit für schulisches Kommunikationshandeln zu literarischen Texten setzen: Literarischen Texten soll mit dem Anspruch begegnet werden, sie tiefergehend zu verstehen – sie zu interpretieren.
Auf der Basis von Unterrichtsdaten (Transkripte und kategoriengeleitete Beobachtungsprotokolle) wollen wir folgend zeigen, dass schulische Gespräche – gerade im nicht-gymnasialen Literaturunterricht – diese Norm häufig nicht erfüllen und hierfür mögliche Gründe aufzeigen.
Angesichts der von uns beobachtbaren schulischen Praxis von (Anschluss-)Kommunikation über Literatur fragen wir uns schließlich: Konstruieren wir Literaturdidaktiker:innen an der Wirklichkeit vorbei (Magirius i. E.)?
- Christ, H., Fischer, E., Fuchs, C., Merkelbach, V. & Reuschling, G. (Hrsg.) (1995): „Ja aber es kann doch sein …“. In der Schule literarische Gespräche führen. Frankfurt am Main: Peter Lang.
- Frank, J. & Lösener, H. (2020): Staunen als Methode. Zur Funktion der Frage in forschenden Literaturgesprächen. In: Freudenberg, R. & Lessing-Sattari, M. (Hrsg.): Zur Rolle von Irritation und Staunen im Rahmen literarästhetischer Erfahrung. Theoretische Perspektiven, empiriebasierte Beobachtungen und praktische Implikationen. Frankfurt am Main: Lang, S. 71–88.
- Magirius, M., Scherf, D., Steinmetz, M. (2021): Lernunterstützung im Literaturgespräch. Modellierung qualitätsvollen Gesprächshandelns von Lehrerinnen und Lehrern. In: Leseräume, 7 (8), Ausgabe „Kognitiv aktivierende Unterrichtsgespräche im Deutschunterricht“.
- Magirius, M. (i. E.): Zur Heterogenität von Lerngruppen und konstruktiver Fachdidaktik – Oder: Konstruieren wir an der Wirklichkeit vorbei? In: von Heynitz, M., Steinmetz, M. (Hrsg.): Die Konstruktion stärken. Ein Handlungsfeld der Deutschdidaktik neu betrachtet. Frankfurt am Main: Peter Lang, 165–171.
- Nystrand, M. (1997). Dialogic Instruction: When Recitation Becomes Conversation. In: Gamoran, A., Kachur, R., & Prendergast, C. (Hrsg..): Opening Dialogue. Understanding the Dynamics of Language and Learning. New York: Teachers College Press, S. 1–29.
- Steinbrenner, M. & Wiprächtiger-Geppert, M. (2006): Verstehen und Nicht-Verstehen im Gespräch. Das Heidelberger Modell des Literarischen Unterrichtsgesprächs. In: Literatur im Unterricht, 7(3), 227–241.
- The Great Books Foundation (1987): An Introduction to Shared Inquiry. Chicago: The Great Books Foundation.
Datum und Ort
20.-21.04.2023 an der PH Karlsruhe.
Programm
Mittwoch, 19. April 2023 | ||
Abends | Get Together | |
Donnerstag, 20. April 2023 | ||
ab 9:00 Uhr | Ort: 2.A021 | Ankunft der Tagungsteilnehmer*innen |
9:30 – 10:30 Uhr | Ort: 2.A021 | Begrüßung und Einführung ins Programm, Arbeitsstand und Ziele des 3. Workshops |
10:30 – 13:00 Uhr | Ort: 2.A021 | Arbeitsphase I: Interdisziplinäres Lesemodell: Ute Schneider & Lukas Kosch |
13:00 – 14:00 Uhr | Mittagspause | |
14:15 – 15:30 Uhr | Ort: 2.A020 | Keynote I Dr. Gunhild Berg, Martin-Luther-Universität Halle: booklovers – Die Social Media-Dimensionen des Lesens. Aspekte der Leseforschung und Leseförderung |
15:30 – 16:00 Uhr | Kaffeepause | |
16:00 – 18:00 Uhr | Ort: 2.A021 | Arbeitsphase II: Forschungscluster
Cluster 3: „Mix“: Sascha Schroeder Cluster 1: „Präsenz“: Svenja Hagenhoff, Lukas Kosch & Günther Stocker Cluster 2: „Verhalten“: Simone Ehmig |
18:30 – 19:30 Uhr | Führung durch das Museum für Literatur am Oberrhein (Prof. Dr. Hansgeorg Schmidt-Bergmann): https://web6.karlsruhe.de/Kultur/MLO/museum/ |
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19:45 Uhr | Café Max | Abendessen |
Freitag, 21. April 2023 | ||
9:30 – 10:30 Uhr | Ort: 2.A021 | Keynote II Prof. Dr. Daniel Scherf & Vertr.-Prof. Dr. Marco Magirius, PH Heidelberg: (Anschluss-)Kommunikation über Literatur im Unterricht: Literaturdidaktische Normsetzungen, schulische Praxis |
10:30 – 12:00 Uhr | Ort: 2.A021 | Arbeitsphase III: Sammelband: Mythen des Lesens (Günther Stocker & Lukas Kosch) |
12:00 – 13:00 Uhr | Ort: 2.A021 | Ausblick auf den nächsten Workshop „Raumdimension“ in München
Planung Abschlusssymposion |
13:00 Uhr | Gemeinsamer Ausklang |
Outcome
Ein interdisziplinäres Lesemodell: Lesen als Prozess
Mit dem Modell sollen die vielschichtigen und wechselseitigen Zusammenhänge zwischen den Elementen, Phasen und Teilkomponenten des Leseprozesses dargestellt werden. Aufbauend auf den beiden Grundannahmen, dass sich Lesen in einem Zusammenspiel von Lesesubjekt, Leseobjekt und Lesesituation vollzieht sowie eine konkrete Lesehandlung von Voraussetzungen bestimmt ist und von Nachwirkungen begleitet wird, soll der vorgeschlagene Rahmen die Multidimensionalität des Lesens erfassen und eine gezielte, tiefgreifende Erforschung des Leseprozesses ermöglichen.
Damit wird es möglich, die Zusammenhänge zwischen Lesesubjekt, Leseobjekt und Lesesituation, ihre Voraussetzungen und Nachwirkungen sowie die Teilaspekte des Leseprozesses beim Lesen aller Arten von Texten (gedruckt, digital, im öffentlichen Raum) zu unterschiedlichen Zwecken oder Anlässen (literarisch-ästhetische Lektüre, informativ-wissensvermittelndes Lesen, absichtsloses Lesen) genauer zu untersuchen. Dieses Modell stellt nicht den Anspruch, bestehende Modelle zu ersetzen, sondern vielmehr versteht es sich als übergreifender und integrativer Rahmen, in den bestehende Modelle und Ansätze zum Lesen miteinbezogen werden können, auch solche disziplinäre Perspektiven, die nur einen Aspekt im Leseprozess untersuchen. Darüber hinaus soll dazu beigetragen werden, im Sinne eines transdisziplinären Anspruchs einen Rahmen für unterschiedliche Disziplinen anzubieten sowie eine Grundlage für weitere Forschung zu schaffen.
Das Modell wird in der Gruppe diskutiert und im Folgenden als Text von Ute Schneider und Lukas Kosch ausgearbeitet sowie publiziert.
Buchpublikation »Mythen des Lesens«
Die Beiträge des Buchs werden konturiert und der Zeitplan festgelegt. Lukas Kosch und Dominik Achtermeier werden den Sammelband herausgeben.